90% der diabeteskranken Menschen leiden unter dem so genannten Typ 2 Diabetes. Bislang ging man davon aus, dass dieses Krankheitsbild medikamentös gut behandelbar sei. Dass dem nicht so ist, belegen die Studien der American Diabetes Association (ADA), die in ihrem Jahresbericht sogar von einer Diabetes-Epidemie spricht. Gleichzeitig bemängelt dieser Bericht auch, dass die neuen Diabetesmedikamente wieder nur in Industrieländern zur Verfügung stehen werden, obwohl ein großer Anteil der Diabetiker in Entwicklungsländern lebt.
Hauptkritikpunkt an der medizinischen Vorsorge und Therapie ist, dass mehr und mehr versucht wird, die medikamentöse Therapie zu verbessern, gleichzeitig aber die schlechten Rahmenbedingungen der Diabetiker völlig aus dem Auge verloren werden. So steht in dem Leitartikel: Da der Typ-2-Diabetes, der zu 90 Prozent zu den Diabeteserkrankungen beiträgt, in reversiblen sozialen Faktoren und solchen der Lebensführung begründet liegt, erscheint ein ausschließlich medizinischer Ansatz nicht als die Lösung. Darüber hinaus entmachtet die Medikation Einzelpersonen und schließt Gemeinschaften, Schulen und Städteplaner aus, die das Potenzial hätten, die Häufigkeit des Diabetes zu verringern. Ärzte, die sich um Diabeteskranke kümmern, bietet sich eine enorme Gelegenheit, eine Zusammenarbeit mit verschiedenen Organisationen aufzubauen, die vergleichbare Ergebnisparameter anstreben.“
Außerdem wird eine düstere Prognose gezeichnet. Es sei zwar paradox, bei einer Erkrankung, die hauptsächlich ältere Menschen betrifft, auf die Jugend zu setzen. Aber genau hier liegen die Wurzeln vieler Diabeteserkrankungen, denn das Alter, in dem der Diabetes ausbricht, wird immer niedriger, und es sind junge Menschen, bei denen sich die Ernährungs- und Aktivitätsgewohnheiten ausprägen. Es geschieht ebenfalls in den jungen Jahren, wenn die Saat des Diabetes ausgesät wird; denn ein Drittel aller Kinder über 2 Jahren in den USA ist übergewichtig und ein Sechstel der Heranwachsenden fettleibig. Bei jenen, die als Kinder schon fettleibig waren, sind der Diabetes Typ 2 in der Jugend und vorzeitige Sterblichkeit im späteren Leben häufiger.
Die ADA betont, dass der Diabetes Typ 2 eine weitgehend vermeidbare und inzwischen fast epidemische Ausmaße erreichende Krankheit ist. Die Saat für diese Erkrankung müsse mit modernen städtebaulichen Maßnahmen, mit einem deutlich höheren Maß an Bewegung und mit konsequenten ernährungswissenschaftlichen Maßnahmen ausgerottet werden.
Die Rufer in der Wüste? Obwohl sich sogar Amerikas First Lady, Michelle Obama, dieser Nachricht annahm und die Intention unterstützte, ist bislang wenig geschehen. Und im heimischen Europa? Hier stellte der „Arzneimittel-Atlas“ – ein 450 Seiten dickes Buch, welches den Arzneimittelverbrauch auflistet – nüchtern fest, dass sich der Einsatz von Antidiabetica in den letzten 15 Jahren fast verdoppelt hat. Erfasst sind hier nur die Verschreibungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Umso bedauerlicher mutet in diesem Zusammenhang an, dass auf Druck der Lebensmittelindustrie die Punktmarkierungen für die schnelle Risikobeurteilung von Lebensmitteln gekippt wurden. Stattdessen gibt es ellenlange Inhaltsstofflisten, die kaum jemand versteht.
Und nach einem Diskussionsbeitrag eines Arztes in einer ARD-Talkshow hat der Bewegungsmangel vieler Kinder bei uns heute schon beinahe amerikanische Ausmaße erreicht. Und statt an der Wurzel anzugreifen, spekuliert man hierzulande schon an neuen Medikamenten, um die Fettverbrennung anzuheizen: „Vielleicht könnten wir damit sogar weiße Fettzellen dazu überreden, sich in braunes oder beiges Fett umzuwandeln“, sagt der Forscher der Universität Bonn. „Damit würde sich eine sinnvolle Möglichkeit abzeichnen, Fettleibigkeit wirksam zu therapieren“ schreiben Alexander Pfeifer und andere über den neu entdeckten Botenstoff cGMP in der Zeitschrift Science signaling.