Nicht Sie, nein, Sie natürlich nicht. Ich meine Sie auch gar nicht, ich möchte nur ein bisschen erzählen. Erzählen aus einem ganz normalen Praxisalltag.
Da kommen manchmal Menschen mit einer ganzen Menge Ausdrucke aus dem Internet und wollen wissen, was ich von diesem Krankheitsbild halte. Also, wahrscheinlich hat das Dr. Google diagnostiziert. Und es stimmt mich manchmal etwas merkwürdig, wenn ich solche Dinge erlebe – Gott sei Dank in einer Heilpraktikerpraxis selten – statt demjenigen, der für Untersuchungen geschult ist, die Arbeit zu überlassen.
Und ich stelle fest, dass das, was der Patient im Internet in der Überfülle der Informationen gefunden hat, meist mehr verunsichert als hilft. Und schlimmer noch: Den Behandler auf dieselbe einseitige Schiene zwängt, ohne dass dieser sich zunächst unbeeinflusst mit den zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden, ein Bild vom Gesamtzustand des Patienten machen und seine akuten Beschwerden einordnen kann. Immerhin sind nach einer e-Health Trends Studie die Deutschen an dritter Stelle nach Norwegern und Dänen diejenigen, die sich zuerst einmal online informieren, bevor sie einen Behandler aufsuchen. Prekär wird sie Situation, wenn sich der Patient – derart informiert – zu einer Selbstbehandlung entschließt. Was dabei herauskommt, davon kann so mancher von uns erzählen. Denn Fachwissen ist gefragt, um bei den Informationen die Spreu vom Weizen zu trennen. Denn so mancher erliegt dann der kommerziellen oder kommerziell gefärbten Informationsflut und stellt bei sich selbst eine Fehldiagnose.
Neu ist das Ganze nicht. Während meiner Ausbildung – das ist jetzt schon über 30 Jahre her – glaubten manche Kommilitonen an einer Krankheit zu leiden, die gerade in der Vorlesung vorgekommen war. Und unzählig sind die Zahlen der homöopathischen Arzneimittelprüfungen, weil der eine oder andere Meinte, das gerade in der Vorlesung bearbeitete homöopathische Mittelbild sei genau für ihn das richtige. Und eine meiner ersten Patientinnen litt gerne an Erkrankungen, die einige Tage vorher in einer „Gesundheitssendung“ im Fernsehen vorgestellt wurden. Bei ihr dauerte es eine ganze Zeit, bis ich darauf kam, denn ich hatte zu dieser Zeit keinen Fernseher und auch keine Lust, mir in meiner Freizeit solche Sendungen anzusehen.
Die Firma Microsoft hat auch eine Studie in Auftrag gegeben, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Programmierer von Suchmaschinen eine enorme Verantwortung haben, damit die Nutzer nicht durch die Definitionen von Relevanz der einzelnen Informationen und die Ranking-Algorithmen verunsichert werden. Das sind Bestandteile, die heute jede moderne Suchmaschine einsetzt und aus einer Analyse des Seiteninhalts und der Verlinkung besteht.
Eine echte Cyberchondrie ist ein ernstzunehmendes Problem, das man keineswegs auf die leichte Schulter nehmen sollte. Betroffene Personen sollten therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen.
eHealth-Trends in Europe 2005-2007: A Population-Based Survey“ [J Med Internet Res 2008; 10(4):e42]
Cyberchondria: Studies of the Escalation of Medical Concerns in Web Search“ [http://research.microsoft.com/apps/pubs/default.aspx?id=76529]