„Läufer brauchen nicht viel, um ihren Sport auszuüben: ein Paar Schuhe, eine schöne Strecke und einen Behandler, der ihnen bestätigt, dass die Gelenke noch nicht ruiniert sind.“ So leitet Sebastian Herrmann einen Artikel in der Süddeutschen Zeitung ein.
Was ist dran an dieser These?
Festzuhalten ist, dass die Verletzungsraten bei Hobbyläufern seit Jahrzehnten erschreckend hoch sind. Und das, obwohl sich der einfache Sportschuh inzwischen zu einem Hightech Meisterwerk verändert hat und über Pronationsstütze, Torsionssystem, Gel Air, Biomorphic-Concept, Heel-Clutching-System, Cushlon-Mittelsohle, Crash-Pad und ähnliches verfügt oder sogar die barfuss laufenden Massai nachahmen soll.
Wer etwas mit diesen Begriffen anzufangen weiß, die in einem Sportartikelgeschäft für das Schuhsortiment angepriesen werden, muss sich gleichzeitig mit der Frage konfrontieren lassen, ob diese Technologien nichts mehr sind als heiße Luft. Hat der Kunde am Ende des Kaufmarathons wirklich ein Produkt erworben, das ihn vor so genannten Abnutzungen und Verletzungen schützt oder nur einen schicken bunten Artikel? Forschungen scheinen die letztere Aussage zu bestätigen. Wobei der Ehrlichkeit halber auch zugegeben wird, dass die Aussage, die Verletzungsrisiken seien beim Tragen von Schuhen generell höher, nicht statistisch signifikant bestätigt werden konnten. Aber die Forscher fanden heraus, dass Läufer, die von der Qualität ihres Schuhwerks hochüberzeugt waren, die Ferse noch fester in den Boden rammten als normalerweise.
Am häufigsten betroffen sei bei allen Läufern das Knie, berichtete Marienke von Middlekoop im British Journal of Sports Medicine bereits vor drei Jahren. Die Zeitschrift Nature (Band 463, S.531, 2010) hat Forschungen des Evolutionsbiologen Daniel Liebermann aufgegriffen. Er sagte, „die meisten Menschen glauben heute, es sei gefährlich und schmerzhaft, barfuss zu laufen.“ Er konnte jedoch nachweisen, dass Menschen, die barfuss laufen, zuerst mit dem Ballen oder Mittelfuß auftreffen. Dadurch wird der Aufprall stark abgefedert, bevor die Ferse aufsetzt. Bei Joggern mit Schuhen hingegen knallt zunächst die Ferse auf den Boden, was zur Folge hat, dass Knie, Mittelfuss und Hüfte mit bis zum dreifachen des Körpergewichtes belastet werden. Verglichen wurden für die Studie Läufer aus den USA sowie aus dem Rift Valley in Kenia, die entweder mit Schuhen oder barfuss liefen oder auch erst seit einiger Zeit auf das Tragen von Schuhen verzichteten.
Auch Geoffrey Keenan von der University of Virginia kam zu ähnlichen Ergebnissen. Beim Tragen von Schuhen würde die Hüfte im Schnitt um 54% höher belastet als ohne Schuhe.
Und nachdem Deutschland in fünf Jahren alles nachmacht, was heute in Amerika „in“ ist, hier die neuesten Trends aus den Staaten: es wird vermehrt barfuss gelaufen oder bestenfalls mit Minimalschlappen, die die Füße vor Verletzungen schützen sollen.
Daniel Liebermann legt jedoch Wert auf die Aussage, „dass mir keine wissenschaftlich publizierten Daten bekannt sind, die zeigen, dass Barfussläufer ein geringeres Verletzungsrisiko haben als Jogger mit Schuhen.“ Über die Verletzungen bei Joggern und den Fuß im Laufschuh kann also trefflich weiter spekuliert werden.